Papst fordert ernsthaften Dialog der Religionen
Benedikt erweist palästinensischem Heiligtum seine Ehre
Beim Besuch des Felsendoms in Jerusalem hat der Papst zum Dialog der Religionen aufgerufen. Als erstes Oberhaupt der katholischen Kirche besuchte er das muslimische Heiligtum. Danach betete er vor der Klagemauer, der heiligen Stätte der Juden.
Zuvor war es beim Papstbesuch in Jerusalem während eines interreligiösen Dialogs zu einem Zwischenfall gekommen: Scheich Taisir Tamimi ergriff das Mikrofon und rief Muslime und Christen dazu auf, gemeinsam gegen Israel zu arbeiten.
Tamimi ist der Vorsitzende der palästinensischen Religionsgerichte, er stand nicht auf der Rednerliste. Er warf Israel vor, die Palästinensergebiete in ein riesiges Gefängnis verwandelt zu haben. Er forderte Benedikt auf, "diese Verbrechen" zu verurteilen und Druck auf die israelische Regierung auszuüben.
Verständnisprobleme
Der Papst hat nach den Angriffen die Veranstaltung vor deren Ende verlassen. Laut "Jerusalem Post" schüttelte Benedikt jedoch vor seinem Weggang noch Tamimis Hand. Nach Informationen des ZDF wurde die Tamimi-Rede, die in Arabisch gehalten wurde, nicht übersetzt. Beobachter gehen deshalb davon aus, dass der Papst den Inhalt nicht verstanden hat. Ein Sprecher des Vatikans wies die Äußerungen des Scheichs zurück. Diese stünden der Idee eines Dialogs diametral entgegen. "Wir hoffen, dass dieser Zwischenfall der Reise des Heiligen Vaters, die Frieden und interreligiösen Dialog fördern soll, keinen Schaden zufügt", sagte er.
Heilige Stätten stehen heute im Mittelpunkt des Papstbesuches in Jerusalem. Benedikt XVI. hat bei einem Besuch auf dem Tempelberg in Jerusalem zu einem Dialog zwischen den Religionen aufgerufen. Die "Missverständnisse und Konflikte der Vergangenheit" müssten überwunden und der "Weg eines ernsthaften Dialogs" eingeschlagen werden, sagte er nach einem Besuch des Felsendoms. Benedikt XVI. besuchte als erstes Oberhaupt der katholischen Kirche das muslimische Heiligtum. Als Zeichen vor seinem
vor der heiligsten Stätte des Islams in Jerusalem streifte er vor dem Betreten des Felsendoms seine roten Schuhe ab.
Im Anschluss besuchte Benedikt die Klagemauer, die wichtigste religiöse Stätte der Juden, dort betete er lange und schweigend. Es war ein emotionaler Höhepunkt der Pilgerreise des deutschen Papstes in Israel, der mit ernstem Gesicht - jüdischen Gepflogenheiten folgend - einen Zettel mit einem Gebet in eine Lücke der Klagemauer steckte. Nach Angaben des Vatikans bittet Benedikt darauf Gott um Frieden in der Welt: "Schicke Deinen Frieden in das Heilige Land, in den ganzen Nahen Osten und die gesamte Menschheit."
Zentralrat der Juden enttäuscht
Der Zentralrat der Juden in Deutschland äußerte sich unterdessen enttäuscht über den ersten Besuchstag des Papstes. Die Enttäuschung sei vor allem dadurch entstanden, dass der Papst weder eine Distanzierung zu den Pius-Brüdern und ihrem Holocaust-Leugner Richard Williamson noch zur Aufforderung zur Judenmissionierung in der Karfreitagsfürbitte habe erkennen lassen, sagte die Zentralratsvorsitzende Charlotte Knobloch in der ARD. "Es ist ein Graben zwischen den Juden und dem Vatikan." Knobloch forderte den Papst auf, die Archive des Vatikans zu öffnen, damit das Verhältnis von Papst Pius XII. in der Nazizeit zu den Juden geklärt werden könne. Nötig ist aus ihrer Sicht zudem eine generelle Entschuldigung für die Verfolgung der Juden auch durch die katholische Kirche in früheren Jahrhunderten.
Auch in Israel war bereits am ersten Besuchstag Kritik aufgekommen. In der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem in Jerusalem ging der Papst - anders als von vielen Juden erhofft - nicht auf die Rolle der Kirche während der Judenvernichtung zur NS-Zeit ein. Benedikt hatte sich gleichwohl mit klaren Worten gegen das Leugnen, Verharmlosen oder Vergessen des Holocausts gewandt und das tiefe Mitleid der katholischen Kirche mit den Opfern des Holocausts ausgedrückt.
Der Vorsitzende des Jad-Vaschem-Rates und Holocaust-Überlebende, Israel Meir Lau, kritisierte die Rede Benedikts. Es hätten Mitgefühl, jegliches Bedauern und jeglicher Schmerz angesichts der fürchterlichen Tragödie der sechs Millionen Opfer gefehlt, sagte der Oberrabbiner von Tel Aviv dem Online-Dienst ynet.com. In einem Gespräch mit der Tageszeitung "Haaretz" kritisierte Lau, dass die für "das Gemetzel" verantwortlichen Deutschen und Nazis nicht beim Namen genannt worden seien.
Rückendeckung für den Papst
Der Vorsitzende des israelischen Holocaust-Dachverbands, Noach Flug, hat Papst Benedikt XVI. vor Kritik in Schutz genommen. Flug sagte dem israelischen Online-Dienst "ynet" vom Dienstag, er verstehe die Vorwürfe gegen den deutschen Papst nicht. "Er ist nicht Präsident einer zionistischen Organisation", sagte Flug, der auch Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees ist. Daher könne man auch nicht erwarten, dass er wie ein Rabbiner spricht. "Er ist hergekommen, um eine Annäherung zwischen der Kirche und dem Judentum zu bewirken und daher ist sein Besuch als positiv und wichtig einzustufen."
Der Besuch in Jad Vaschem zählte von Anfang an zu den heiklen Höhepunkten der einwöchigen Reise ins Heilige Land. Ein für Israel bislang einmaliges Aufgebot von 80.000 Polizisten und Sicherheitskräften soll das Kirchenoberhaupt in den fünf Tagen seines Besuchs schützen. Zuletzt hatte Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. Israel im März 2000 besucht.
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/7/0,3672,7587239,00.html